Hallo Zusammen
Unsere Tochter Caterina ist Ende desletzten Monats ein Jahr alt geworden. Sie wächst und entwickelt sich gut, für uns ein Grund zur Freude und Dankbarkeit. Sie zeigt dazu immer mehr ihre eigene Persönlichkeit, die sehr temperamentvoll ist und genau weiss, was sie will und was nicht. Sie liebt andere Kinder und Tiere und geht meist erstaunlich sanft mit ihnen um. Mit ihrer Nanny kommt sie gut klar und mag sie gerne. Somit bin ich wieder fast voll im Arbeitsalltag des Spitals integriert. Zwar komme ich morgens noch etwas später zur Arbeit, doch oft genug komme ich auch später nach Hause. Im Wundambulatorium haben wir zurzeit nicht so viel Arbeit.
Dafür beschäftigen mich die Schicksale der Kinder mehr als früher. Ein dreijähriges Mädchen heisst Agnes. Sie kam mit Verbrennungen an Rücken, Bauch, beiden Armen und am Hinterkopf zu uns. Ihr Kleid hatte beim Spielen in der Nähe des Feuers angefangen zu brennen. Ihr Zuhause ist im Dorf, weit weg von einem grösseren Spital. Sie wurde zuerst im nächsten «Dispensary» behandelt und kam völlig verdreckt und traumatisiert zu uns. Bei der kleinsten Berührung musste sie weinen. Ohne Narkose konnte man nichts an ihr machen. Wir fingen an mit Verbinden; in kurzer Zeit waren die Wunden sauber, und wir konnten mit Hauttransplantationen anfangen. Da den Eltern bald das Geld für die Behandlung ausging, konnten wir Agnes mit Hilfe der Spenden, die wir für Patienten bekommen, weiter versorgen. Ihre Wunden heilten nach relativ kurzer Zeit fast komplett ab, und sie durfte nach Hause. Das nächste Problem, welches nach Verbrennungen häufig auftritt, liess auch bei ihr nicht lange auf sich warten. Das Narbengewebe zog sich zusammen, und das Mädchen konnte ihre Arme, Hände und den Hals nicht mehr strecken. Glücklicherweise durften wir Agnes kürzlich einem Team von plastischen Chirurgen aus Deutschland in ein Spital nach Sumbawanga mitgeben. Diese operierten ihr den rechten Arm und die Narben am Hals. Nächstes Jahr soll noch der andere Arm operiert werden. Das Mädchen wird sich wahrscheinlich immer aufgrund der Folgen der Verbrennungen mit Einschränkungen abfinden müssen, aber sonst doch ein mehr oder weniger normales Leben führen können. Für mich ist es jedoch ein Wunder, dass Agnes unter den hiesigen Umständen überlebt hat. Eine Patientengruppe, die mir in letzter Zeit auch wichtig geworden ist, sind die psychisch kranken Menschen. Es gibt hier wenig Wissen über psychische Erkrankungen; die Betroffenen werden oft als «verrückt» bezeichnet, leben meist auf der Strasse und essen vom Abfallhaufen. Nicht selten werden sie auch Opfer von Gewalt, besonders Frauen werden vergewaltigt. Die Familien der Betroffenen möchten kaum Geld für die Behandlung solch psychisch kranken Angehörigen ausgeben. Auch von der Regierung sind diese Menschen vernachlässigt; sie sollten zwar gratis behandelt werden, jedoch wird dem wenig Beachtung geschenkt, und es werden nur beschränkt Medikamente zur Verfügung gestellt. Einer unserer Mitarbeiter hier, Mussa, ist Quartierchef eines Stadtteils von Mbalizi. Mit ihm redete ich darüber und vereinbarte mit ihm, die Leute aus seinem Bezirk zu uns ins Spital zu schicken. Eine gute Freundin von mir, die im Spital arbeitet, ist vor kurzem mit der Ausbildung zur klinischen Psychiaterin fertig geworden. Sie hat ein sehr grosses Anliegen für diese Patienten, und zu ihr wollte ich diese Leute bringen. Mussa nahm dieses Anliegen sehr ernst, und aus den zwei oder drei Leuten, von denen er mir erzählt hatte, wurden immer mehr. Da ein Teil der Medikamente im Spital nicht erhältlich waren, kaufte ich diese, und so konnten wir die Medikamente den Patienten auch gratis abgeben. Vor einigen Tagen unterhielt ich mich wieder mit Mussa. Er berichtete mir, dass es schön sei, die Erfolge der Therapien zu sehen. Ein Handwerker, der nicht mehr arbeiten konnte, habe nach Beginn der Therapie wieder angefangen zu arbeiten und könne sich nun sogar selber seine Medikamente kaufen. Andere, denen der Speichel ständig aus dem Mund gelaufen war, scheinen wieder etwas klarer im Kopf zu sein.
Zwei der Schüler, die ich mit Spendengeldern in der medizinischen Ausbildung unterstützt hatte, haben Mitte Jahr mit sehr guten Noten die Ausbildung zur Pflegefachfrau/mann abgeschlossen. Ich hoffe nun, dass sie es schaffen, eine Arbeit zu finden, die ihnen ermöglicht, sich selbst und ihre Familie zu versorgen. Die finanzielle Situation im Spital ist weiter sehr schwierig. Dazu kommt auch, dass ein grosser Teil der Gebäude renovierungsbedürftig ist. Die Leitung versucht so gut wie möglich, die Situation zu verbessern, Ausgaben zu minimieren und neue Einkommensquellen zu schaffen. Viele dieser Veränderungen sind schwierig und machen das Arbeiten beschwerlich. Es braucht viel Weisheit, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Danke für euer Interesse an der Arbeit im Spital.
Mit lieben Grüssen
Petra & Yesaya mit Caterina